Elektroautos in der DDR – Es gab sie wirklich, wie der „Elsist“ zeigt
Heutzutage ist Elektromobilität in aller Munde. Aber schon in den 1970er und 1980er Jahren entwickelten einige bundesdeutsche und ungarische Konstrukteure elektrisch betriebene Fahrzeuge. So kamen beispielsweise in Budapest Barkas B 1000 bei der Post zum Einsatz, die dortige Ingenieure mit einem Elektroantrieb ausgestattet hatten. In der früheren DDR tüftelte von etwa 1974 bis 1978 in Finsterwalde eine Arbeitsgemeinschaft der „Station Junge Techniker“ gemeinsam mit ihrem Lehrmeister an einem Elektrofahrzeug – dem „Elsist“.
Einige technische Daten
Die Abkürzung Elsist steht für „Elektrisches-Sicherheits-Stadtauto“. Für den Antrieb benötigte man damals zwei ausrangierte 40-Volt-Motoren, die eine Leistung von je 2,5 kW aufwiesen und generalüberholt wurden. So brachte es das Fahrzeug auf eine Gesamtleistung von 16 PS. Als Basis diente ein ausgemusterter Trabant Kübel, da die Tüftler für eine Straßenzulassung eine erprobte Radaufhängung und Lenkung benötigten. Nur so erhielten sie eine gültige Fahrzeug-Identifizierungsnummer. Die Außenhaut wurde aus leichtem Alublech gefertigt. Des Weiteren wurden über einen Zeitraum von zwei Jahren vier 12-Volt-Batterien organisiert, die ursprünglich für LKWs gedacht waren. Da Batterien nicht einfach so zu bekommen waren, brauchte man zum Tausch andere Batterien.
Die Arbeitsgemeinschaft selbst hatte jeden Monat 100 Mark der DDR zur Verfügung. Ein Großteil davon wurde in den Elsist investiert. Allein für die Beschaffung der nötigen Materialien ging viel Zeit ins Land, sodass sie für die Fertigung insgesamt vier Jahre benötigten. Dabei habe man auf bewährte Technologien gesetzt, denn zur Entwicklung hatte man gar nicht die Möglichkeiten, so Neubert. Mit einfachen Mitteln gelang es ihnen, ein Fahrzeug zu erschaffen, das eine Reichweite von 50 km und eine Höchstgeschwindigkeit von 55 km/h erzielte. Die Batterien wurden hier im Heck verbaut, der Motor vorn. Die elektrische Schaltung funktionierte mit einem einfachen Zahnradpaar, welches die Motorendrehzahl etwas verringerte.
Fahrzeugsicherheit
Auch die Sicherheit sollte bei dem Fahrzeug nicht zu kurz kommen. So entwickelte Neubert zusammen mit den Jugendlichen eine zusammenschiebbare Lenksäule und eine Front- und Heckpartie, die mit stoßabsorbierendem Schaum verkleidet war. Um die Aerodynamik des Fahrzeugs testen zu können, lies er die Jugendlichen in den Schulferien Holzmodelle des Elsist anfertigen, die dann in einem Tisch-Windkanal der Technischen Universität Dresden auf ihre Windschnittigkeit getestet wurden. Die beste Variante diente dann als Vorlage.
Das Fahrzeug wurde bereits 1978 auf der Leipziger „Zentralen Messe der Meister von Morgen“ präsentiert und im Fernsehmagazin „Umschau“ vorgestellt. 1980 zeigte die DDR-Fernsehsendung „aha“ das Gefährt während einer Live-Sendung. Allerdings erhielt der Elsist erst 1987 seine Straßenzulassung, aber nur unter der Prämisse, dass Neubert keine Weiterentwicklung betreibe. „Ich musste das tun, um meinen Schülern noch in die Augen blicken zu können. Sie hatten ja so hart auf dieses Ziel hingearbeitet“, äußerte sich Neubert viele Jahre später dazu. Auch heute noch hält er mit einigen seiner Schüler Kontakt.
» Mehr Artikel zum Thema? Abonnieren Sie den Cornelius Ober GmbH Newsletter
Mit diesem Fahrzeug fuhr der Lehrmeister der Jugendlichen, Erhard Neubert, fünf Jahre lang durchs südliche Brandenburg, nachdem er zuvor jahrelang um eine Zulassung kämpfen musste. Sogar im DDR-Verkehrsministerium sprach er deshalb vor.
Nach der politischen Wende nutzte Neubert das Fahrzeug noch zwei Jahre, bevor er es dann vor dem weiteren Verschleiß rettete und in einer Scheune abstellte. Im Jahr 2012 wurde Elsist im Energie-Service-Center in Massen, unweit von Finsterwalde, ausgestellt und konnte hier von interessierten Besuchern bestaunt werden. Jetzt soll es auf einem Firmengelände in Massen stehen.
Übrigens gab es schon zu Kaisers Zeiten Elektrofahrzeuge, die sich allerdings gegenüber den Benzinern nicht durchsetzen konnten. In den 1950er Jahren waren viele Elektrobusse, aber auch Lieferwagen mit Elektroantrieb im Einsatz, wie ein vom MDR auf Facebook veröffentlichter Videobeitrag auch zeigt, in dem es allerdings vorrangig über den Elsist geht, über den wir in diesem Beitrag berichtet haben.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!